Surdesti

Rumänien 2008


Teil 6: Maramures

 

Voronet

 

Nach dem Frühstück und dem Ver- und Entsorgen brechen wir wieder auf Richtung Westen. Die Nordkarpaten sind heute unser Ziel. Die E576 zeigt sich sehr abwechslungsreich. Auf Schlaglöcher folgen Baustellen und dazwischen kurze Abschnitte, auf denen man auch mal beschleunigen kann, aber nur kurz. Wir kommen nur sehr langsam voran, Schnitt ca. 40 – 50 km/h. Interessant sind  die Ausbesserungsmaßnahmen. Erst werden etwa 10 cm Split aufgetragen. Darüber wird dann flüssiger Teer gegossen und gewalzt. Wie das halten soll?

Über den 1416 m hohen Prislop-Pass fahren wir nach Borsa. Hier beginnt das Gebiet der Maramures, eine waldreiche Berglandschaft im Norden der Karpaten, bekannt auch durch die Holzarchitektur mit alten, teils sehr gut erhaltenen Holzkirchen. Borsa scheint zumindest im Ansatz touristische Infrastruktur zu besitzen. Es gibt in dem Luftkurort einen Tourismuskomplex mit neuen oder frisch renovierten Hotels am Fuße eines Hügels mit Skilift. Und der Ort eignet sich gut für Wanderungen im umliegenden Naturschutzgebiet, das sich bis auf eine Höhe von 2300 m erstreckt.

Borsa

Borsa

Auf einem freien Platz zwischen den Hotels parken wir unser Wohnmobil. Auf der Terrasse des Hotels nebenan fragen wir die Bedienung, ob es recht sei, wenn wir hier über Nacht parken. Da sie mein Englisch nicht versteht, holt sie die Chefin, die französisch spricht. Die nette Dame hat überhaupt nichts dagegen, sie bietet uns sogar an, das Haus offen zu lassen, damit wir die Toiletten benutzen können. Bei soviel Gastfreundschaft beschließen wir spontan, uns auf der Terrasse bei Kaffee und Kuchen zu stärken. Wir unterhalten uns dabei mit der Hotelchefin und bekommen von ihr einen guten Tipp für eine Wanderung zum höchsten Wasserfall Rumäniens.

 

Borsa

Borsa

 

Wir schlendern noch ein wenig durch den Ort, klettern auf einen Hügel, von wo wir eine schöne Aussicht haben und schauen uns auf dem Rückweg die Holzkirche an, bevor wir wieder in „unser“ Hotel  zu einem ausgezeichneten Abendessen einkehren. Inzwischen haben sich Sylvia und Konstantin mit dem jungen und sehr verspielten Hund der Hotelbesitzer angefreundet. Er weicht nicht mehr von unserer Seite. Als wir am Morgen aus dem Wohnmobil klettern, wartet er bereits auf uns, so als hätte er die ganze Nacht das Wohnmobil bewacht.

Borsa
Wir ziehen die Wanderschuhe an und machen uns auf den Weg. Nach etwa 2 Stunden erreichen wir den Wasserfall, an dessen Fuß ein Picknickplatz eingerichtet ist. Nach einer kleinen Brotzeit starten wir zum relativ steilen Aufstieg auf die Passhöhe. Es gibt da droben eine Art von Almhütte, auf der anscheinend Pferde gezüchtet werden. Eine größere Herde grast auf den umliegenden Almwiesen. Während wir hier die Aussicht genießen, fährt ein Geländewagen heran. Von den beiden Männern kommt einer zu uns uns spricht uns in schwäbischem Dialekt an. Es stellt sich heraus, dass er in Rumänien geboren und aufgewachsen, dann aber nach Deutschland ausgewandert ist. Jetzt ist er auf Besuch hier. Er möchte natürlich wissen, wie es uns in Rumänien gefällt, wo wir überall waren und wie wir hier zurechtkommen. Es gefällt ihm, dass wir von der Gastfreundschaft und der Aufgeschlossenheit der Rumänen angenehm überrascht sind. Er erklärt dies damit, dass die Bevölkerung während der Diktatur richtiggehend eingesperrt war und sich jetzt freut, wenn Fremde kommen und sich für ihr Land interessieren.

Wir treten den Rückweg an. Entlang der Schlucht gehen wir durch den Wald zur Bergstation des Sesselliftes.

Skilift in Borsa

Näher betrachtet, eher ein Fall fürs Museum. Aber alles sieht frisch renoviert aus und die Stützen und Sessel sind bunt angemalt. Momentan steht der Lift und wir erfahren, dass er erst dann wieder eingeschaltet wird, wenn mindestens 20 Personen hier sind, damit sich die Fahrt auch lohnt. Es wären nur ein paar hundert Meter zum Wohnmobil und richtig steil ist der Hang auch nicht, aber wir wollen halt mal mit einem rumänischen Skilift fahren. Nach und nach kommen Wanderer und Familien auf Picknickausflug an, so dass dann schließlich der Motor eingeschaltet wird. Gemütlich schweben wir hinunter ins Tal.

Im Hotel essen wir noch eine Kleinigkeit und verabschieden uns. Wir wollen jetzt, am Spätnachmittag, unsere Rückreise Richtung Westen fortzusetzen und noch etwas von der schönen Landschaft der Karpaten sehen. Über hoprige Nebenstraßen rumpeln wir mit 40 – 50 km/h durch die Dörfer, vorbei an kunstvoll verzierten Holzhäusern und Gehöften.

In einem Dorf halten wir, um die Holzkirche zu besichtigen, die besonders alt zu sein scheint. Durch die angelehnte Tore betreten wir den düsteren Innenraum, in den durch die kleinen Fenster kaum Licht fällt. An den Wänden sind Malereien mit biblischen Szenen und bunte Verzierungen zu erkennen. Aus dem Altarraum hören wir Stimmen und es dauert nicht lange, bis ein älterer Mann, Typ Indiana Jones, heraustritt und uns auf Englisch fragt, wie wir hier rein gekommen sind. Es stellt sich heraus, dass seine kleine Gruppe hier ist, um die Kirche zu erforschen oder zu restaurieren. So ganz genau können wir das nicht herausbekommen. Jedenfalls werden wir mehr oder weniger deutlich aufgefordert, wieder zu gehen und auf keinen Fall zu fotografieren.

 

Surdesti

Übernachten wollten wir hier sowieso nicht und so setzen wir unsere Fahrt fort nach Surdesti, das unser Ziel für heute sein soll. In dem Ort angekommen, wird es schon langsam finster und wir machen wir uns auf die Suche nach einem Übernachtungsplatz. Im Ort und auch bei der Kirche, die wir morgen besichtigen wollen, gibt es keinen geeigneten Parkplatz. Wir erreichen schon fast das Ende des Ortes und haben uns schon darauf eingestellt, dass wir uns außerhalb des Ortes ein ruhiges Plätzchen zum Übernachten suchen. Da entdeckt Konstantin an der Straße ein nagelneues Hinweisschild auf die Agriturism Antrec. Mal sehen, ob man bei dieser landwirtschaftlichen Tourismuseinrichtung auch mit Wohnmobil übernachten kann. Wir treffen die Bäuerin an, und bekommen unseren Übernachtungsplatz mitten im Hof zugewiesen. Die Preisverhandlungen gestalten sich etwas schwieriger. Zunächst meint sie, ich solle einen Preis vorschlagen. Da sie mit uns keinen Aufwand hat, schlage ich erstmal 10 Lei vor. Das ist ihr natürlich viel zu wenig und sie erklärt wir könnten ja die Dusche im Haus benutzen. Das klingt gut und ich erhöhe auf 20 Lei. Das ist immer noch nicht genug, denn schließlich gibt es warme Dusche und das Öl zum Heizen ist auch nicht gerade billig. Also einigen wir uns auf 30 Lei. Nicht wenig, aber die Dusche für uns 4 ist es uns wert. Wir machen noch einen Spaziergang ins Dorf und als wir zurückkommen, treffen wir 3 belgische junge Damen, die mit dem Fahrrad unterwegs sind. Hinter dem Haus habe sie unter den Obstbäumen ihr Zelt aufgeschlagen. Wir unterhalten uns noch ein wenig und vereinbaren mit ihnen, wer wann zum Duschen geht.

Urlaub auf dem Bauernhof

Nun, die Duschen sind in Ordnung, wir verbringen eine ruhige Nacht auf dem Bauernhof, und am Morgen bringt uns die Bäuerin selbstgemachten Käse zum Frühstück. Ich kann nicht widerstehen und muss probieren. Schmeckt gut, auch wenn ich weiß, dass mir Montezuma´s Rache gewiss ist. Aber ich habe Glück.

Surdesti

Zu Fuß gehen wir über die Wiesen zur Holzkirche von Surdesti, um das höchste Eichenbauwerk Europas zu besichtigen. Der Kirchturm hat immerhin eine Höhe von 72 Meter, vom Boden gemessen. Im Innenraum sind die zum Teil restaurierten Malereien mit Themen aus dem Alten und Neuen Testament gut erkennbar. Interessant ist auch der Friedhof vor der Kirche mit den typisch romanischen Sarkophagen. Zwischen dem hohen Gras fällt mir ein besonderes Exemplar auf, mit eingemeißelten kyrillischen Schriftzeichen. Angesichts der Nähe der ukrainischen Grenze kein Wunder. Der Friedhof macht einen stark verwilderten Eindruck, die Gräber scheinen nicht gepflegt zu werden. Vielleicht wurde hier schon lange niemand mehr bestattet und die Angehörigen der hier liegenden sind schon längst verstorben. Aber diesen Eindruck machte z.B. auch der Friedhof in Voronet. Dies ist umso unerklärlicher, da die Kirchen mit zum Teil großem Aufwand restauriert werden und wir z.B. in Tecuci erlebt haben, wie zumindest die ländliche Bevölkerung von starker Religiosität geprägt ist.

Satu Mare 

Wir verabschieden uns von unseren Gastgebern und setzen die Reise fort Richtung Satu Mare, wo wir noch eine Pause einlegen. In einer Nebenstraße nahe dem Zentrum parken wir das Wohnmobil. Zunächst schlendern wir über einen Markt, auf dem es alles zu kaufen gibt, was aus dem Westen importiert wird.

Das Zentrum bildet der rechteckig angelegte Stadtplatz, in dessen Mitte sich ein Park befindet. Außen herum verläuft die Hauptstraße, auf der dichter Verkehr herrscht. Bei einer Trattoria, lassen wir uns im Freien unter Sonnenschirmen nieder und bestellen Pizza. Es dauert nicht lange und ein kleiner Junge kommt zu uns. Er ist ordentlich gekleidet, deutet uns aber an, dass er Hunger hat und hält die Hand zum Betteln auf. Ich gebe ihm ein großes Stück von der Pizza, er bedankt sich, geht einige Schritte weiter und verspeist sie mit offensichtlich großem Appetit. Kurz darauf kommt eine Frau, offensichtlich seine Mutter, aus dem Geschäft neben der Pizzeria, mit Einkaufstüten in der Hand und geht mit dem Jungen weg. Hat der Junge jetzt nur zum Spaß gebettelt? Als eine Art Sport? Das passiert uns jetzt schon zum dritten mal bei dieser Rumänientour. Wir sind uns nicht sicher, ob es tatsächlich Armut ist, die diese Kinder zum Betteln veranlasst? In den kleineren Dörfern, haben wir nie jemanden betteln gesehen. Arm scheinen die Leute, die uns hier in dieser Stadt begegnen, nicht zu sein. Satu Mare

Satu Mare macht einen sehr gepflegten Eindruck auf uns. In dem Park sind viele Leute unterwegs, Jüngere, jung Gebliebene, Senioren, Familien, Frauen mit Kinderwagen. Alles sehr sauber und gepflegt, es gibt Straßencafés, viele Boutiquen, Supermärkte, Restaurants und man kann unbehelligt herumlaufen. Natürlich ist auch die Polizei präsent, Fußstreifen schlendern entlang, im lockeren Gespräch mit den Leuten. Angenehm hier. Rumänien macht zum Abschied nochmals einen starken Eindruck auf uns, es hat Stil. Ich möchte fast sagen, auf mich macht vieles in diesem Land einen sehr  kultivierten Eindruck. Diese Gedanken hatte ich schon öfters, so z.B. bei unseren Aufenthalten in Sucevita, in Borsa, auch bei dem jungen Ehepaar im Donaudelta, aber auch bei den Campern an der Schwarzmeerküste. Und inzwischen haben mir das mehrere unvoreingenommene Kenner Rumäniens bestätigt. Nichts, aber auch gar nichts bleibt übrig von den vielen Warnungen und Vorurteilen, mit denen wir vor der Reise konfrontiert waren. Trotzdem ist mir durchaus bewusst, dass es hinter den Kulissen auch Armut und große soziale Unterschiede gibt.

Schließlich kehren wir nach einem Einkauf in einem Supermarkt zurück zum Wohnmobil und legen die paar km zur Grenze zurück. Der Grenzübertritt erfolgt so reibungslos und so zügig, dass wir gar nicht dazu kommen, eine ungarische Autobahnvignette zu kaufen.

 

La revedere, Romania

Auf Landstraßen setzen wir die Fahrt fort zum Campingplatz in Debreczen, wo wir uns nochmals in die heißen Quellen des Thermalbades Kerekestelepi stürzen wollen.

Die Einfahrt zum Campingplatz ist allerdings verschlossen und hinter dem Einfahrtstor ist die Zufahrt aufgegraben. Wir werden von Gästen des Platzes entdeckt, die ans Tor kommen. Der Campingplatz ist also in Betrieb und Sonja geht zum Bad um jemanden zu fragen, wo wir reinfahren können. Es kommt jemand und schließt die Einfahrt beim Bad auf und wir schaukeln unser Gefährt quer über die Liegewiese zum Campingplatz. Den Rest des Abends verbringen wir wieder beim Relaxen in den unterschiedlich warmen Becken, bis kurz nach 22:00 Uhr das Wasser abgelassen wird.

Ein erholsamer Ausklang einer sehr interessanten, eindrucksvollen Reise in den – für uns – unbekannten Südosten Europas. Wir haben eine abenteuerliche Tour erwartet. Aber es wurde eine Reise voller unerwarteter Eindrücke, in ein Land, das viel Freiheit bietet. Es war auch eine Reise in die Vergangenheit. Vieles hat mich an das Leben auf dem Dorf in den 50er oder 60er Jahren erinnert.

Mich hat vor allem sehr angenehm überrascht, dass es durchaus Parallelen mit anderen romanischen Ländern, wie Frankreich oder Italien gibt. Nicht nur was die Sprache betrifft, sondern auch im öffentlichen Leben, seien es die Restaurants oder der Flair einer Stadt. Dazu ein Hauch von der vergangenen Habsburger Monarchie....  Wie ich schon sagte, Rumänien hat Stil.

 

 

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© W. Fritz, 2010